Selbstkontrolle ist eine immer wichtiger werdende Eigenschaft. Gerade in Zeiten, wo eigene Bedürfnisse häufig sofort befriedigt werden können, spielt Selbstkontrolle und Verzicht eine große Rolle. In diesem Artikel finden Sie zahlreiche leicht umsetzbare Dinge, die zu mehr Disziplin führen und zu Erfolgen führen werden.

Puppen sind wir, von unbekannten Gewalten am Draht gezogen; nichts, nichts wir selbst!
–Georg Büchner

Warum ist Selbstkontrolle so wichtig?

Selbstkontrolle und -disziplin sind nicht nur beim Erledigen seiner Aufgaben im Job wichtig, sondern bei allen Zielen, die wir uns im Leben setzen. Ohne das Setzen eigener Ziele sind wir vielmehr Mittel zum Zweck für andere, wie eine Puppe an den Drähten, wie Büchner im vorherigen Zitat so treffend sagt. Damit ist die Selbstkontrolle eng verknüpft mit Erfolg, denn erfolgreiche Menschen setzen ihre Ziele nicht nur, sondern erreichen sie trotz diverser Hindernisse viel häufiger.

Leichter gesagt als getan, denn wir überschätzen uns und unsere Fähigkeit, einer Versuchung zu widerstehen, allzu oft (Nordgren et al., 2009). Gleichwohl gibt es große Hoffnung auf diesem Feld. Folgend 12 praktische Tipps zur Erhöhung der Selbstkontrolle.

1. Zähneputzen – das mache ich doch mit links!

Roy Baumeister, Doktor der Sozialpsychologe an der Florida State University, wendet die Metapher des Muskels für die Selbstkontrolle eines Menschen an: Nicht nur ermüdet unsere Eigenkontrolle wie ein Körpermuskel durch Gebrauch. Er lässt sich auch wie ein normaler Muskel im Körper trainieren. Er wird zwar nicht größer, wehrt sich allerdings ausdauernder gegen Ermüdung, je mehr man ihn trainiert.

Der wunderbare Nebeneffekt: durch trainierte Selbstkontrolle in einer Disziplin folgt auch eine generelle Stärkung dieses Muskels in anderen Bereichen.

2. Planung – nicht zu viel auf einmal

Durch den Ermüdungseffekt besteht schnell die Gefahr, dass parallel laufende Selbstkontrollübungen sich gegenseitig schwächen, den limitiert gefüllten Tank der Selbstkontrolle also gleichzeitig leeren. Mit links die Zähne zu putzen und sich bei der Arbeit das Multitasking abzugewöhnen, wäre demzufolge schwieriger, als ausschließlich eins der beiden Ziele anzupacken.

Das nennen Psychologen übrigens Ego-Depletion (Selbsterschöpfung).

3. Versuchung – und führe mich nicht in eben jene

Beim Erkennen eines „leeren Tanks“ ist das Umgehen oder Vermeiden von Versuchungen sinnvoll.

Ein Fall für die Selbsteinschätzung.

Ziele – wenn unbewusst angesteuert – werden leichter verfolgt und eher erreicht. Sie sollten sich also nicht nur fernhalten von geistig und physisch verführenden Dingen, sondern sich ebenfalls in der Nähe von jenen Dingen aufhalten, die die eigentlichen Ziele fördern.

4. Selbsteinschätzung – lieber konservativ ein- als hoffnungslos überschätzen

Nach Nordgren scheitern Menschen, die sich überschätzen, viel häufiger an ihren Vorhaben als jene, die sich konservativ und eher schlechter einschätzen. Raucher greifen wahrscheinlicher zur nächsten Zigarette, wenn sie sich als der Ich-kann-aufhören-wann-ich-will-Typ sehen. Schneller als jene, die es ohnehin als schwierig ansehen, den Nikotin-Stängchen zu widersagen.

5. Vorverpflichtung – die Kraft der Deadlines

Wie die Deadlines bei den meisten Arbeitsprojekten ist auch ein vorheriges Festlegen auf eine private Aufgabe sinnvoll. Wer sich z.B. mit seinem Kumpel bereits am Vorabend – komme was wolle! – für das morgendliche Jogging verpflichtet, wird auch einen Lauf im Regen nicht mehr umgehen. Sich vorher auf schwierige Ziele festzulegen (Laufen im Regen ist für viele gar nicht so einfach…), kann zu erhöhter Leistung führen.

Sich auf strickte Deadlines festzulegen, bringt höhere Leistung ein als die flexible Variante, das Ende offen zu lassen. Das Festlegen schränkt zwar die Optionen und Alternativen ein, führt aber wahrscheinlicher zum Erfolg.

6. Verschriftlichung – das Unbewusste hilft mit

Das schriftliche Festhalten seiner Ziele ist vielfach wichtig: Es gilt als externer Speicher und geht dem Vergessen entgegen, manifestiert das Erwünschte visuell (die Mehrzahl von uns sind „visuelle Tiere“) und nimmt das Ziel in den Fokus.

Viele haben die Erfahrung in der Schule gemacht: Man schreibt sich klitzeklein auf einen Zettel, was man nicht mehr lernen will und muss das am Ende auch nicht mehr – es sitzt nämlich durch die Beschäftigung damit ohnehin!

Der vierte Vorteil: man kann händisch abhaken, also einen Erfolg verbuchen.

7. Erfolge – Belohnungen tun gut

Es fällt uns Menschen leichter, Opfer bei Kurzzeitzielen zu bringen, wenn wir einen höheren Langzeiterfolg im Blick haben. Selbst ein eigens gesetztes und nicht von außen vorgegebenes Langzeitziel mit Erfolg. Der Einsatz von Belohnung hilft.

Dass es dergleichen mit Vorgabe von außen gut funktionieren kann (aber nicht muss), zeigt eines der bekanntesten und auch lustigsten Experimente zum Thema Selbstkontrolle, das Walter Mischel, ein Professor der Columbia University, bereits in den 60er Jahren getestet hat: der Marshmallow Test. Er untersucht, wie Kinder Selbstkontrolle ausüben, wenn eine langfristig größere Belohnung in Aussicht steht. Aber sehen Sie selbst!

8. Wolke 7 – Emotionen helfen, der Versuchung zu widerstehen

Oft sind es gerade die Bauchentscheidungen, die uns am Ende helfen, gute Ergebnisse zu erzielen. Ebenfalls beim Thema Selbstkontrolle und Emotionen. Im Marshmallow Test widerstehen jene Kinder der Versuchung besser, die sich die Marshmallows als „weiße Wolken“ vorstellen. Die Kids widerstehen der Versuchung, indem sie unbewusst ihre Emotionen abkühlen, denn wie emotional aufregend ist es, geschmacklose weiße Wolken zu essen anstatt leckerer Zuckerberge?!

9. Bestrafung – tut nicht gut, hilft aber

Zuckerbrote (oder -berge) schmecken, aber sogar die Peitsche tut ihren Dienst. Zusätzlich zur Belohnung erfolgreichen Verhaltens sollten Sie sich ebenfalls die gelbe Karte bei fehlender Selbstkontrolle geben.

In der Psychologie sind Verstärkung/Belohnung und Bestrafung eng miteinander verknüpft. Beide Mittel zeigen hervorragende Ergebnisse beim Erlernen neuer Verhaltensweisen. Alleine die Androhung von Bestrafung kann hier schon zu erhöhten Leistungen führen. Ihren Kollegen beim Scheitern einer neuen Gewohnheit 100€ zu schenken oder einer verhassten Partei das Geld beim Scheitern zu überweisen, kann manchmal motivationale Wunder wirken…

Helfen kann Ihnen dabei z.B. stickK.

10. Bewertung – sie alleine lässt Ziele wachsen oder schrumpfen

Die Bewertung anderer Menschen lässt uns seltsame Dinge tun. Ebenso sieht es bei der Bewertung von Versuchungen oder Zielen aus: das Abwerten von Versuchungen und das Aufwerten der gesetzten Ziele macht ihr Erreichen wahrscheinlicher. Das Aufwerten eines Zieles hat den unbewussten Effekt, dass wir uns automatisch stärker danach orientieren und die Dinge suchen, die der Zielerreichung zuträglich sind.

11. Selbstbestätigung – sich das Gute vorsagen

Je öfter Sie mit Freunden oder Arbeitskollegen über Ihre guten Ziele und holden Werte sprechen, desto mehr verpflichten Sie sich insgeheim zu deren Einhaltung. Das funktioniert auch, indem Sie sich selber Ihre Kernstärken vorsagen. Es wird bei jeder bewussten Wiederholung wahrscheinlicher, dass Sie im richtigen Augenblick an diese denken und einer Versuchung widerstehen.

12. Beständigkeit – einmal ist kein Mal… oder wie vermeiden Sie den What-the-hell-Effekt

Polivy et al. (2010) fanden Spannendes heraus: Versuchsteilnehmer, die bei einer Diät dachten, sie wären gerade über ihr Tagespensum hinausgeschossen, schlugen bei einer zweiten Nascherei danach extremer zu als Teilnehmer ohne Kalorienziel. „Jetzt ist es auch egal“ mag der Gedanke gewesen sein, weshalb sich der Effekt „What-the-hell-Effekt“ nennt.

Wenn Sie Ihr Ziel verpassen, ist die Chance groß, dass Sie diesem Effekt verfallen. Am besten kennen ihn die auf einer Diät befindlichen Menschen mit einem Tages-Kalorie-Ziel: ist es überschritten, denken sie „Zur-Hölle-damit-und-jetzt-ist-es-auch-egal!“ und legen erst richtig los mit dem Essen der falschen Dinge.

Wie kann man diesem Effekt entgehen?

  1. Man macht Kurzzeit- zu Langzeitzielen, die schwerer wiegen und deshalb von uns nicht so schnell außer Kraft gesetzt werden. Sie haben ein höheres Investment inne.
  2. Man macht aus einem verhinderndem Ziel (z.B. dem Verzicht von Alkohol) eines, das anhäuft (alkoholfreie Tage) und das Ziel damit zu einem positivem. Das Ziel wird psychologisch neu gedeutet und wirkt anregend und nicht bestrafend.

Eine Menge Möglichkeiten, Ihre Selbstkontrolle zu steigern, denken Sie nicht? Fragt sich nur noch, welchen Muskel Sie als erstes trainieren…!

 

Foto: Freeimages.com

 

Literatur

Ariely, D., & Wertenbroch, K. (2002). Procrastination, deadlines, and performance: self-control by precommitmentPsychological science13(3), 219-24.

Baumeister, R. F., Gailliot, M., DeWall, C. N., & Oaten, M. (2006). Self-regulation and personality: how interventions increase regulatory success, and how depletion moderates the effects of traits on behaviorJournal of personality74(6), 1773-801.

Fishbach, A., Friedman, R. S., & Kruglanski, A. W. (2003). Leading us not into temptation: Momentary allurements elicit overriding goal activationJournal of Personality and Social Psychology84(2), 296-309.

Fishbach, A., Zhang, Y., & Trope, Y. (2009). Counteractive evaluation: Asymmetric shifts in the implicit value of conflicting motivationsJournal of Experimental Social Psychology46(1), 29-38.

Mischel, W., & Baker, N. (1975). Cognitive appraisals and transformations in delay behaviorJournal of Personality and Social Psychology31(2), 254-261.

Polivy, J., Herman, C. P., & Deo, R. (2010). Getting a bigger slice of the pie. Effects on eating and emotion in restrained and unrestrained eaters. Appetite, 55(3), 426–430.

Trope, Y., & Fishbach, A. (2000). Counteractive self-control in overcoming temptationJournal of Personality and Social Psychology79(4), 493-506.

Vohs, K. D., & Heatherton, T. F. (2000). Self-regulatory failure: a resource-depletion approachPsychological science11(3), 249-54.

Die Verstärkung sowie Belohnung und Bestrafung in der Psychologie (das Kontingenzschema).
Der What-the-hell-Effekt.